Jinjiro beschleunigte die Sholagar. Die 35-Tonnen-Maschine setzte die Geschwindigkeitsänderung sofort um und presste ihren Piloten in seinen Sitz. Wenige Sekunden später durchbrach der Luftraumjäger mit den charakteristischen kreisrunden Tragflächen die Atmosphäre und raste in den Weltraum. 

Sensoren, die fest im Neurohelm des Piloten angebracht waren, aktualisierten ständig die entsprechenden Anzeigen im Helmdisplay.

Jinjiro überflog die Daten und betrachtete auch kurz die Werte für den Puls, Blutdruck und Sauerstoffgehalt des Blutes. 

Er überprüfte auf dem Kurzstreckenradar die Position des Staffelführers. Auch wenn dieser nominell als Sho-I denselben Rang wie Jinjiro bekleidete, trug er die Zusatzbezeichnung "Lancer". Sho-I Sakai galt als höchst erfahrener Raumjägerpilot. Kurz vor dem Start hatten sie beschlossen, dass Jinjiro mit seiner schnelleren SL-21 Sholagar voraus fliegen sollte, während die langsamere, aber kampfkräftigere SL-25 Samurai etwas versetzt folgte. 

"Ryu-ni an Ryu-ichi. Kein Kontakt bisher." 

"Verstanden, Ryu-ni. Wir ändern den Flugvektor."

Auf Jinjiros Display tauchten Zahlenwerte auf, die vom Gefechtscomputer der Samurai übermittelt wurden. Er wechselte den Kurs und beschleunigte weiter. Dann tauchte das Symbol für einen unbekannten Kontakt am Rand des Radardisplays auf.

"Kontakt!" Er passte seinen Kurs nochmal an und wusste, dass die Samurai dasselbe Manöver durchführte.

Inzwischen war ein zweiter Feindkontakt sichtbar. Ein leichter und ein mittlerer Jäger. 

Jinjiro runzelte die Stirn, als der Computer die leichte Maschine als Sholagar identifizierte. Sollte es sich um Kurita-Einheiten handeln?

"Ryu-ichi an Ryu-ni. Angriffsmuster fortsetzen." Die Stimme Sakais schien vollkommen ruhig und wies keinerlei Zweifel daran, dass dies etwas anderes als Feinde sein könnten. 

"Verstanden."

Die zweite Maschine war nun endlich identifiziert. Es war eine Transit. Eigentlich ein Design der Capellanischen Konföderation, war dieses Waffensystem wegen seiner mächtigen AC20 gefürchtet. 

In den nächsten Minuten tasteten sich die vier Kampfmaschinen in einem tödlichen Tanz aus eleganten Kurven ab. 

Jinjiro sah, dass seine Puls- und Blutdruckwerte nun auf dem Display in einem gelben Farbton angezeigt wurden.

Er zog seine Sholagar in Feuerdistanz. Die feindliche Sholagar, welche blutrot lackiert war und Symbole aufwies, die er nicht kannte, reagierte sofort und manövrierte ihn aus. Während er nur mit dem Laser einer Tragfläche schießen konnte, war sein Gegner in der Lage, sämtliche Waffen abzufeuern. und was die Sache noch schlimmer machte, war die Transit, die nun auch auf ihn zuraste.

Sein Laser zerstörte ein Lasersystem des feindlichen Sholagars. 

Doch es blieb keine Zeit sich zu freuen, denn das einschlagende AC20-Geschoss ließ seine Maschine erbeben.

Die betroffene Sektion bildete eine Wolke aus zersplitterten Fragmenten, welche er in einem silbrigen Schweif hinter sich herzog.

"Manöver Ichi-Go!" 

Sakai´s Worte entbehrten jeglicher Emotion. Es wirkte eher wie die Anweisung eines Schachspielers, der seinen nächsten Zug bekannt gab.

Ohne nachzudenken, führte Jinjiro ein Flugmanöver durch, welches seine Maschine zweimal hin und her schleuderte. 

Die beiden Feindmaschinen setzten ihm nach. Während Jinjiro aufgrund seiner Position nicht schießen konnte, befand sich Sakai auf Nahdistanz zur feindlichen Sholagar. Die Treffsicherheit des Veteranen war mörderisch. Acht Laser durchschlugen die Triebwerksektion des leichten Feindjägers, der kurz darauf in einer lautlosen Feuerblume verschwand.

Die Transit verlor durch den Verlust seines Kameraden die Initiative und wurde von den beiden Kurita-Jägern ausmanövriert. Unter dem gemeinsamen Feuer erlitt der 50-Tonner schwere Treffer. Eine Minute später setzte sich Sakai direkt hinter der Transit und erzielte seinen zweiten Abschuß.

"Ryu-ni. Status."

"Schwere Panzerschäden, aber keine internen Treffer."

"Verstanden. Wir kehren zur Basis zurück."

Als sie in die Atmosphäre des Planeten eindrangen, betrachtete Sho-I Sakai die vor ihm fliegende Sholagar. Der Pilot war noch unerfahren, hatte sich aber gut gehalten. Er flog näher an die Sholagar heran, wobei er die atmosphärischen Turbulenzen des Doppelrumpfs der Samurai instinktiv ausglich.

Die Einschlagstelle der AC20 war deutlich zu sehen. Die Techs würden einige Sonderschichten einlegen müssen.

Plötzlich bockte die Sholagar auf, als wenn sie von einer gigantischen unsichtbaren Faust getroffen worden war und trudelnd an Höhe verlor.

"VOLLER SEITENSCHUB RECHTS!" brüllte Sakai.

Jinjiro wusste nicht, was ihn mehr überraschte. Das unkontrollierte Verhalten seiner Maschine oder die Tatsache, dass der im gesamten Luftkampf so ruhige Sakai jetzt mit überschlagender Stimme auf ihn einbrüllte.

Seine Ausbildung ließ den jungen Mann den Befehl ausführen, ohne weiter darüber nachzudenken. Die seitlichen Schubdüsen fauchten unter Volllast und tatsächlich gewann er allmählich die Kontrolle über seine Maschine zurück.

Erschrocken sah er den Höhenverlust, den die Maschine in der kurzen Zeit verloren hatte. Er stabilisierte vollends die Maschine, während seine Puls- und Blutdruckdaten nun in warnendem Rot auf dem Display zu sehen waren.

Die Samurai setzte sich an seine Backbordseite und er blickte in das verspiegelte Vollvisier von Sakai. 

"Shoki" flüsterte er. Shoki - Dämon - hatten die Techs die Sholagar genannt, als sie ihm zugewiesen worden war. Die Sholagar war berüchtigt, aufgrund seines kreisrunden Flügeldesigns in bestimmten Situationen innerhalb der Atmosphäre die Kontrolle zu verlieren. 

Kurze Zeit später setzten die Jäger auf und rollten aus. Techs rannten herbei.

Er sah, wie Sakai den Helm absetzte und aus seiner SL-25 kletterte.

Seine Cockpithaube war geöffnet, aber er blieb zunächst sitzen. Und betrachtete seine Hände, die zitterten. Dann setzte er den Helm ab, wobei er zwei Versuchte benötigte, um den Verschluß zu lösen.

Ein Tech war hochgeklettert und schaute ihn besorgt an.

"Alles in Ordnung?"

Er zwang sich zu einem Lächeln und nickte.

Der Tech, ein Veteran in den Fünfzigern, runzelte die Stirn, als er das grimassenhafte Lächeln betrachtete und half dem Piloten aus dem Cockpit. Ohne, dass Jinjiro es sah, winkte er einen bereitstehenden Geländewagen heran. Auch Sakai stieg in den Wagen. 

Der Tech sah den Piloten hinterher, die zum Kommandozentrum gefahren wurden, um dort Meldung zu machen.

Dann betrachtete er den Schaden an der Sholagar und tätschelte sanft die Metallhülle. "Wenigstens hat er Dich heimgebracht. Den Rest bringen wir ihm schon bei."