Shoki
Matsuida
Matsuida-Präfektur
Militärdistrikt Galedon
Juli 3025
Die Wachtürme wirkten wie Relikte vergangener Zeiten, als sich Krieger auf die Schärfe ihrer Augen verlassen mussten, um herannahende Feinde auszumachen.
Heutzutage standen zahlreiche technische Systeme zur Verfügung, um eine so bedeutende Einrichtung, wie es der Militärstützpunkt der 12th Galedon Regulars darstellte, zu bewachen.
Aber die Regimentsführung war der Überzeugung, dass jedes technische System umgangen werden kann. Daher waren die Wachtürme Tag und Nacht von Soldaten besetzt, welche nachts die Dunkelheit mit den Lichtkegeln ihrer Suchscheinwerfer zerschnitten.
Corporal Akira Yashita konnte sich nicht daran erinnern, dass es in den letzten 5 Jahren irgendeinen besonderen Zwischenfall gegeben hatte, der durch dieses Überwachungssystem aufgedeckt wurde. Andererseits war dies ein zwar langweiliger, aber dennoch ruhiger Dienst.
„Frischfleisch!“
Akira blickte zu Corporal Kagero hinüber, der mit ihm zusammen Dienst auf dem Wachturm hatte. Er verließ die kleine überdachte Kabine und trat zu Kagero an das Geländer. Danach fokussierte er sein Fernglas auf den nördlichen Eingangsbereich des Stützpunktes.
Ein Konvoi, bestehend aus vier achträdigen Mannschaftstransportern, war vorgefahren und wurde nach einer kurzen Kontrolle der Wachmannschaft durchgewunken. Die Fahrzeugkolonne hielt schließlich am nördlichen Paradeplatz an. Trotz der großen Entfernung glaubte Akira die bellenden Befehle zu hören, welche die Passagiere aus den Fahrzeugen trieben.
In kürzester Zeit hatten sich mehrere Gruppen gebildet, die Haltung annahmen.
Akira erhöhte den Zoom und betrachtete die Neuankömmlinge. Die meisten waren Infanteristen, die in Gefechtsmontur stramm standen. Ein Sergeant schritt die Formation ab und brüllte gerade einen Rekruten an, dessen hellgrauer Kampfhelm schief aufgesetzt war.
Akira lachte glucksend, als er sich daran erinnerte, dass ihm vor vielen Jahren Ähnliches widerfahren war.
Ein kleiner Schwenk des Fernglases zeigte ihm eine ernst dreinschauende Gruppe von Mechkriegern und als er den Schwenk fortsetzte, blickte er auf zwei Männer mit den gelben Kragenspiegeln der Luftraumjäger.
Sie wurden von einem LRJ-Tech in Empfang genommen. Es folgten die üblichen Verbeugungen, ehe sie einen kleinen Geländewagen bestiegen und losfuhren. Akira wusste, dass sie zu den LRJ-Unterkünften unterwegs waren. Er wechselte wieder zu dem Infanterietrupp und betrachtete deren Inspektion. Der Soldat mit dem falsch sitzenden Helm war gerade dabei, Liegestütze zu machen, während der Sergeant laut mitzählte. Der Beginn einer wundervollen Freundschaft.
***
Der kleine Geländewagen vom Typ Kurogane 2010 heulte auf, als sein Fahrer, Takeo, beschleunigte. Die Tatsache, dass der Wagen notorisch untermotorisiert war, hatte nicht verhindert, dass er weiterhin in Massen produziert und an die Truppe ausgeliefert wurde. Takeo betrachtete hin und wieder über den Rückspiegel seine Passagiere.
Wie er selber waren beide Asiaten. Stumm betrachteten beide die Gebäude und Einrichtungen, welche sie auf der Fahrtstrecke passierten.
"Wir machen noch einen Zwischenstopp, ehe Sie zur Unterkunft gebracht werden.“ Ein schwaches Lächeln zog über sein Gesicht, als er betrachtete, wie die beiden versuchten ihre Frustration wegen der langen Reise zu verbergen und ihm müde zunickten.
"Ich habe Befehl, ihnen zuerst ihre Jagdmaschinen zeigen." sagte Takeo mit unschuldiger Stimme, wohl wissend, was diese Worte für die beiden Fahrgäste bedeuteten.
Jinjiro Nishizawas Müdigkeit war wie weggewischt. Die Hyperraumsprünge, der Flug zum Planeten, dann die 6-stündige Fahrt im engen Mannschaftstransporter. Die Müdigkeit, der Drang, eine Dusche und dann ein Bett aufzusuchen. Alles vergessen. Stattdessen ging er im Gedanken potentielle Jägertypen durch, die man ihm zuweisen könnte. Seinem neben ihm sitzenden Kameraden schien es ähnlich zu gehen. Jinjiro runzelte etwas die Stirn, als er seinen Nebenmann genauer betrachtete. Er schaute misstrauisch zum Rückspiegel, aber der Fahrer schien nichts zu bemerken. Hoffentlich habe ich nicht auch so ein dämliches Grinsen im Gesicht. Er widerstand der Versuchung, mit der Hand vor den in die Ferne schauenden Augen seines Kameraden herum zu wedeln.
Meine Güte. dachte sich Takeo amüsiert, während er keinen Gesichtsmuskel verzog. Kaum sagt man diesen Raumjockeys, dass man sie zu ihren Vögeln bringt, lassen sie ihre Masken fallen. Hoffentlich fängt der grinsende nicht auch noch zu sabbern an. dachte er belustigt.
***
Hangar 17
Die Techs saßen auf einer Kiste mit Kurzstreckenraketen und beobachteten den Piloten, der seit eine Viertelstunde beim Raumjäger stand. "Ivan, was meinst Du? Ist er das?" Sein Ansprechpartner nickte gelassen. "Scheint so." Passt auch irgendwie.
dachte sich der erfahrene Tech Ein neuer Jäger und ein neuer Pilot. Anders als bei der Mechwaffe überlebten Raumjäger und ihre Piloten eine erheblich geringere Zahl an Fronteinsätzen.
"Zumindest sieht er ziemlich zufrieden aus."
Der Tech-Veteran grunzte nur, als er aufstand. Das verdammte Knie. Alles was ich bin, verdanke ich meinem ehrenvollen Dienst bei der DCMS
dachte er grummelnd, als er zum Piloten hinüber ging.
Jinjiro nahm den Tech erst wahr, als dieser fast bei ihm stand. Viel zu sehr war er vom Anblick seines Jägers gefesselt. Eine SL-21! Er konnte sein Glück kaum fassen. Die Geschichte der im Draconis-Kombinat produzierten Raumjäger gehörte zur theoretischen Ausbildung. So wusste Jinjiro, dass die SL-21 Sholagar als Ersatz der veralteten Sabre mitten im Ersten Nachfolgekrieg eingeführt worden war. Am Auffälligsten war bei diesem kompakten Design die kreisrunde Tragflächenstruktur.
Er blickte mit leuchtenden Augen auf die im hellgrau/hellbraun-Tarnschema lackierte Maschine und betrachtete die einzelnen Linien und Strukturen.
"Er ist so gut wie neu." begann der Tech zu sprechen und wartete, ob der Offizier zu der Sorte gehörte, die ihn deswegen gleich maßregeln würde. Als nur ein Nicken folgte, setzte er mit einem Lächeln fort. "Mangon Aeronautics hat ihn vor einigen Monaten an uns ausgeliefert. Er ist durchgecheckt und startbereit."
"Sie sind der zuständige Tech dieses Jägers?" fragte Jinjiro.
"Hai! Talon Sergeant Ivan Rostoff." schnarrte der Tech und führte eine Verbeugung aus. Der Pilot erwiderte die Verbeugung, wobei er sich genauso tief verbeugte.
"Ich bin Sho-I Jinjiro Nishizawa."
Gut Gut. dachte sich Rostoff. Zum Glück kein arroganter Besserwisser.
"Wir haben ihn Shoki genannt."
Jinjiro verengte die Augen. Shoki bedeutete Dämon. "Wieso das?" fragte er ruhig.
Rostoff tätschelte die Bugmanschette, in der die Öffnungen für die Kurzstreckenraketen untergebracht waren. Shoki ist ein hervorragendes Waffensystem. Aber er verlangt auch ständige Aufmerksamkeit. Ansonsten bestraft er seinen Piloten. Die von Schwielen gezeichnete rechte Hand Rostoffs wies vielsagend auf die Tragfläche.
Jinjiro wusste, was der Tech andeutete. In den letzten beiden Jahrzehnten hatten sich Gerüchte bestätigt, dass die kreisrunde Tragfläche im Atmosphärenflug unter bestimmten Bedingungen zu unkontrollierten Bewegungen führen konnte. Unerfahrene oder unkonzentrierte Piloten konnten so völlig die Kontrolle verlieren und abstürzen.
Er nickte wissend. "Shoki also... so soll es sein. Ich werde versuchen, ihm gerecht zu werden."
Er verbeugte sich erneut vor dem Tech und wartete dessen Erwiderung ab, ehe er zum wartenden Geländewagen ging.
Der Tech beobachtete, wie der Wagen in Richtung Pilotenunterkünfte davonbrauste.
Dann drehte er sich zu seinem Team um. "Er scheint ganz in Ordnung zu sein."
Die Techs nickten erleichtert.
"Mal sehen, wie lange er überlebt." murmelte der Veteran so leise, dass keiner dies mithören konnte und dachte dabei an all "seine" Piloten, die in seiner Dienstzeit gefallen waren.